Actualité
Appels à contributions
Transkulturelle Begegnungsräume ? Ästhetische Strategien der Überlagerung, Pluralisierung und Simultaneität in den zeitgenössischen romanischen Literaturen (Zürich)

Transkulturelle Begegnungsräume ? Ästhetische Strategien der Überlagerung, Pluralisierung und Simultaneität in den zeitgenössischen romanischen Literaturen (Zürich)

Publié le par Marc Escola (Source : Julia Proell)

Transkulturelle Begegnungsräume ?

Ästhetische Strategien der Überlagerung, Pluralisierung und Simultaneität in den zeitgenössischen romanischen Literaturen

(Romanistentag Zürich, 8.10-12.10.2017)

 

Dynamik, Begegnung, Migration lassen sich als Schlüsselkonzepte begreifen, um von Vernetzung und Globalisierungsprozessen charakterisierte gegenwärtige Gesellschaften mitsamt den ihnen inhärenten Chancen und Risiken zu beschreiben. Gleichfalls scheinen sie ein prozessuales, dynamisiertes und translationales Kulturverständnis aufzurufen, das sich, um mit Jutta Ernst und Florian Freitag zu sprechen, „gegen territorial gebundene Kulturkonzepte [wendet]“ (Ernst/Freitag 2015, 12) und „Kultur […] als ‚hybride’, unreine, vermischte Erfahrungs- und Bedeutungsschichtung“ (Bachmann-Medick 2014, 249) im Sinne des Transkulturalitätsparadigmas konzeptualisiert.[1] Dass dieses seit den 1980er Jahren als eine Art ‚Epochensignatur’ fungiert[2] und gerade auch in frankophonen, hispanophonen und italophonen Forschungskontexten hohe Relevanz besitzt, zeigen rezente literatur- und kulturwissenschaftliche Studien, die sich der Exploration von „culturas híbridas“ (Canclini 2010) und „third space[s]“ (Rutherford 1990, 2011), d.h. friktions- und spannungsreichen kulturellen Übersetzungsräumen zuwenden.[3]

Die im Kontext der genannten Forschungstendenzen situierte Sektionsarbeit setzt sich zum Ziel, zeitgenössische literarische (und mediale) Produktionen der Romania seit den 1980er Jahren als transkulturelle Begegnungsräume in den Blick zu nehmen. Anstatt jedoch bereits ausgiebig diskutierte thematische Aspekte, wie bspw. die Pulverisierung essentialistischer, monovalenter Identitäts- und Kulturkonzepte oder die literarische Verarbeitung von Exil- und Migrationserfahrungen zu diskutieren, soll die Aufmerksamkeit aus einer genreübergreifenden, narrative, dramatische und lyrische Texte gleichermaßen umfassenden Perspektive auf die bislang weniger beachtete formal-ästhetische Ausgestaltung der durch Transkulturations-, Translations- und Migrationsprozesse eröffneten Zwischenräumlichkeit gelenkt werden (cf. aber Schmeling 2002, 265-282; Schenk/Rácz 2015). Binäre Logiken herausfordernd, scheint diese vor allem durch die Inbeziehungsetzung von Heterogenem, „die „Vergleichzeitigung von Entferntem“ (Reichardt 2010, 122) gekennzeichnet zu sein und zu ihrer Analyse eine „viellogische Philologie“ (Ette 2015) zu verlangen. Eine solche interessiert sich für die von einer Poetik der Relation (cf. Glissant 1990) implizierten Pluralisierungsverfahren, Überlagerungsprozesse und Simultaneitätseffekte, in deren Rahmen Perspektiven gekreuzt, Texte, Medien, Erzähltraditionen, poetische und dramaturgische Verfahren unterschiedlichster kultureller Provenienz rhizomartig miteinander vernetzt sowie unterschiedliche Sprachen ineinander verwoben werden.

Während Simultaneität auf ein gleichzeitiges Geschehen anspielt (cf. Hubmann/Huss 2013), ruft Überlagerung zum einen eine räumlich-verdichtende Dimension auf, wie sie gegenwärtig beispielsweise im Suffix -scapes zum Ausdruck kommt (cf. Appadurai 1996), das zur Bezeichnung „netzwerkartig strukturierter Räumlichkeit verwendet“ (Dünne/Mahler 2015, 524) wird. Zum anderen erlaubt der Begriff aber auch Anschlussmöglichkeiten an aktuelle Intersektionalitätstheorien (cf. Winker/Degele 2009), die die Vielschichtigkeit von Unterdrückungs- und Machtverhältnissen in post- bzw. neokolonialen Kulturkontaktzonen reflektieren, die ja gerade nicht ausschließlich als harmonische Begegnungsräume aufzufassen sind. Pluralisierung bildet ihrerseits den Überbegriff, der unterschiedlichste „Verfahren der Vielfalt“ (Schenk 2008, 133), unter ihnen auch Simultaneität und Überlagerung, einschließt. Alle genannten Verfahren scheinen an einer weit gefassten „migratory aesthetics“ im Sinne Mieke Bals zu partizipieren, einer Ästhetik, „that endorses and explores the mobility of the current social world“ (Bal 2007, 31) und die sich gerade nicht auf die künstlerische Produktion von kulturell und sprachlich mehrfach verorteten Autor_innen beschränkt. Vielmehr durchwirkt sie in besonderem Maße die von Ottmar Ette namhaft gemachten ‚kosmopolitischen’ „Literatur[en] ohne festen Wohnsitz“ (Ette 2005), die von „transarealen, transkulturellen und translingualen Dynamiken“ gekennzeichnet sind und im Zeichen eines „Springens zwischen Orten und Zeiten, Gesellschaften und Kulturen“ (König 2013, 28) stehen.

Eine Reflexion kann sich u.a. entlang der folgenden Achsen entfalten:

  • Formen und Funktionen transkultureller Intertextualität und transkultureller Intermedialität: Wo/Wie werden fremdkulturelle Texte aufgerufen? Wo/Wie kommt es zu einer Durchsetzung ‚westlicher’ Repräsentationsmodi mit ‚fremdkulturellen’ Elementen? Wie ist ein Oszillieren oder Überblenden von verschiedenen Medien zu denken, die in unterschiedlichen Kulturen sehr häufig unterschiedliche Gewichtungen erfahren?
  • Literarische Mehrsprachigkeit/Translingualität (cf. Dembeck/Parr 2016; Helmich 2016; Kremnitz 2015; Bertracco 2014; Knauth 2011) und Selbstübersetzung (cf. z.B. Hokenson 2007): Wie gelingt es kulturell und sprachlich mehrfach verorteten Autor_innen ihre Muttersprache in ihre Literatursprache einzuschreiben? Welche unterschiedlichen sprachlichen Verfahren stehen hierfür zur Verfügung? Inwiefern wird Selbstübersetzung subversiv eingesetzt, um die Annahme einer monolingualen Sprachnorm zu dekonstruieren oder durch die Problematisierung von Unübersetzbarkeit die Differenzkategorie zu stärken?
  • Formen und Funktionen einer ‚viellogischen’ Ästhetik im Spannungsfeld von National- und neuer ‚Weltliteratur’ (z.B. narratologische, dramaturgische und poetische Verfahren zur Darstellung von Netzwerkstrukturen, glokalen Dynamiken, etc.)
  • Ästhetische Simultaneitäts-, Überlagerungs- und Pluralisierungsverfahren als Widerstandsressource gegen ‚globalisierungsinduzierte’ Homogenisierung aber auch als Artikulationsmöglichkeit asymmetrischer Machtbeziehungen, postkolonialer bzw. neokolonialer Dynamiken im Kontext zeitgenössischer Intersektionalitätstheorien
  • Operationalität verschiedener konzeptueller Metaphern für die Analyse von Simultaneitäts-, Überlagerungs-, und Pluralisierungsphänomenen, gedacht sei bspw. an Transplantations-, Pfropfungs-, und, rezenter, Korallenmetaphern (cf. Torabully 2014, 94ff)?
  • Genrespezifische Ausprägungen von Überlagerungs-, Simultaneitäts- und Pluralisierungsverfahren: Wo gibt es Unterschiede, wo Ähnlichkeiten?

Die Sektionssprachen sind Deutsch, Französisch, Spanisch und Italienisch. Die Ergebnisse der Sektion sollen publiziert werden.

Bitte senden Sie Ihre Beitragsvorschläge im Umfang von 2000-2500 Zeichen (inkl. Leerzeichen) sowie eine bio-bibliographische Notiz (1000 Zeichen) bis 31.12.2016 per E-Mail an Alessandro.Bosco@uibk.ac.at; Julia.Proell@uibk.ac.at; U.Moser@uibk.ac.

Eine Rückmeldung erfolgt bis zum 15.01.2017.

[1] Zur Begriffsgeschichte der Transkulturalität und seinen wichtigsten Wegmarken in Kuba (Fernando Ortíz), Quebec (Lamberto Tassinari, Pierre Nepveu), den USA (Mary Louise Pratt) und Europa (Wolfgang Welsch, Ulf Hannerz, Elisabeth Bronfen) cf. Ernst/Freitag 2015, 7-30 und Mathis-Moser 2010, 49-65.

[2] Die zunehmende Wichtigkeit von wechselseitigen Durchdringungs- und Interdependenzprozessen lassen Lucy Bond und Jessica Rapson gar einen „transcultural turn“ (Bond/Rapson 2014) annehmen.

[3] Z.B.: Moll 2015; Moura/Porra 2015; Moslund/Petersen/Schramm 2015; Ette/Wirth 2014; Kleinhans 2013; Moser 2011; Marinelli-König/Preisinger 2011; Canclini 2010; Borsò/Brohm 2007; Sieber 2005.