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«Kongeniale Kopisten» (NZZ, 29.08.2015)

«Kongeniale Kopisten» (NZZ, 29.08.2015)

Publié le par Marie Minger

Kongeniale Kopisten
par Magnus Wieland
Article paru dans la Neue Zürcher Zeitung, 29 août 2015

 

Abschreiben ist gemeinhin verpönt. Jedoch lebt die Literatur seit je von kreativen Übernahmen. Vertreter der sogenannten «appropriation literature» treiben Aneignungen auf die provokante Spitze.

Unter den Kopisten der Literaturgeschichte gehört Pierre Ménard wohl zu den bekanntesten, sicher auch zu den kühnsten. Schickte er sich doch an, den «Don Quijote» Zeile für Zeile nochmals zu schreiben, um ihn als eigenes Werk auszugeben. Jorge Luis Borges, aus dessen Feder der fingierte Sekundärautor des «Don Quijote» stammt, bemerkt dazu, dass die Abschrift zwar «Wort für Wort identisch» mit dem Original sei, aber «nahezu unendlich viel reicher». Mit diesem Kommentar torpediert Borges ein kulturell tief verwurzeltes Originaldenken, das die Kopie als ästhetisch minderwertig erachtet. Die künstlerische Mimesis findet meist nur dort Anerkennung, wo die Natur, nicht aber andere Werke nachgeahmt werden.

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